von Daniel Fischer
UNESCO-Projektschulen setzen sich für die Werte der UNESCO und damit für Frieden, Weltoffenheit und nachhaltige Entwicklung ein und richten ihre schulische Arbeit an diesen Werten aus. In Deutschland gibt es rund 300 solcher Schulen, weltweit sind es über 11.500. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert ein dreijähriges Modellprojekt, das im Jahr 2021 endet. Das Projekt unterstützt ausgewählte Schulen aus dem Netzwerk der UNESCO-Projektschulen darin, ein Nachhaltigkeitsprofil zu entwickeln, das sich an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert.
Das Vernetzungstreffen der etwa beteiligten 30 Schulen am 11. März 2021 stand unter dem Thema der Nachhaltigkeitskommunikation. Ich hatte die Gelegenheit, einige Erfahrungen aus unserer Arbeit (etwa aus dem Projekt BINK) sowie verschiedene kommunikationswissenschaftliche Ansätze dazu vorzustellen, wie sich Nachhaltigkeit schulisch kommunizieren lässt. Drei Punkte waren mir dabei besonders wichtig:

- Erstens: Kommunikation kann innerschulisch ausgerichtet sein auf die Schulgemeinschaft als Zielgruppe, aber auch extern auf verschiedene ausserschulische Akteure. Sie kann weiterhin darauf abzielen den Arbeitsprozess zu unterstützen (Kommunikation über Projekte, Aktivitäten etc.), sich aber auch direkt an bestimmte Gruppen richten mit dem Ziel, konkrete Veränderungen zu erwirken (z.B. Wissenszuwachs, Einstellungsänderungen). Ich bezeichne diese Unterscheidung auch als das 4-Felder-Schema schulischer Nachhaltigkeitskommunikation (siehe Abbildung). Diese Unterscheidung kann hilfreich sein zur besseren Verständigung, aber auch zur strategischeren Planung schulischer Nachhaltigkeitskommunikation.

- Zweitens: Strategische Nachhaltigkeitskommunikation ist ziel- und wirkungsorientiert. Entscheidend sind 4 W-Fragen (siehe Abbildung):
- Wer ist die Zielgruppe? Was wissen wir über die Zielgruppe und ihre Interessen, Werte, Neigungen, Bedürfnisse? (Zielgruppe)
- Was ist das Problem und soll verändert werden bei der Zielgruppe? Wollen wir Resonanz, Nachfrage oder konkrete Veränderungen (Wissen, Einstellung, Verhalten) erreichen (hilfreiche Unterscheidung aus dem Klimakampagnenbaukasten)? (Ziel)
- Warum sollte eine Veränderung gelingen? Von welchen Annahmen, Erfahrungen oder Evidenzen gehen wir aus, wenn wir unterstellen, wie Veränderung funktioniert? (Wirktheorie)
- Wie und durch welche konkreten Kommunikationsmaßnahmen soll die Veränderung herbeigeführt werden? Wie können wir überprüfen, ob sie erfolgreich war? (Maßnahme)

- Drittens: Nachhaltigkeitskommunikation kann Menschen auf zwei Wegen beeinflussen: indem sie Menschen in eine intensive kognitive Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen bringt (man spricht auch von der “zentralen Route”, die sozusagen Mitten ins Thema führt) oder indem Menschen eher beiläufig und impulsiv auf bestimmte Eigenschaften der Kommunikation reagieren, ohne sich intensiv mit dem eigentlichen Thema zu befassen (man spricht von der “peripheren Route” der Verarbeitung). Auch auf der peripheren Route kann sich etwas bewegen, z.B. können sich Einstellungen verändern. In der Tat verarbeiten wir im Alltag die meisten Informationen peripher. Jedoch vernachlässigen wir diese Art der Kommunikation in der Nachhaltigkeit häufig ziemlich. Kommunikationswissenschaftliche Theorien können uns viele hilfreiche Hinweise geben dafür, wie wir durch Kommunikation sowohl die zentrale als auch die periphere Route ansprechen können. Ich habe dazu vier theoretische Perspektiven vorgestellt (siehe Abbildung):
- Argumentationstheorie: neuere Arbeiten aus der Klimakommunikation schlagen vor, dass wir viel stärker und offensiver Annahmen mit kommunizieren sollten, die wir Aussagen und Begründungen zugrunde legen. Ein Beispiel ist die Aussage, dass die Hypothese der anthropogenen globalen Erwärmung gültig ist, weil 95% der fachbegutachteten klimawissenschaftlichen Arbeiten sie unterstützen (Begründung). Was hier nicht mit kommuniziert wird ist die Grundannahme, dass eine Akzeptanzrate von 95% als ausreichend betrachtet wird, um eine Aussage als wissenschaftlich gesichert zu betrachten. Wenn das Publikum diese Aussage nicht bereits von sich aus teilt, wird die Aussage und Begründung allein sie nicht überzeugen. Wir sollten daher genau prüfen, was wir voraussetzen und was wir offenlegen und offensiv begründen müssen, wenn wir mit Zielgruppen kommunizieren.
- Framing: Mit Framing ist der Prozess gemeint, in dem wir etwas in einen bestimmten Deutungszusammenhang einbetten und damit eine Perspektive auf ein Thema anbieten. Frames bestehen nach Robert Entman aus einem Problem, einer Ursache, einer Bewertung und (ggf.) einem Lösungsangebot. Ein einfaches Beispiel sind Gewinn-/Verlustframes: wir können die positiven Folgen einer Handlung betonen (Wenn Sie aufhören zu rauchen, leben sie länger) oder die negativen Folgen einer (ausbleibenden) Handlung (Wenn Sie weiter rauchen, werden sie früher sterben). Forschungsergebnisse (etwa ein aktuelles Review von Nabi et al., 2020) zeigen, dass Frames, die Emotionen wecken, die stärkste persuasive (= überzeugende) Wirkung entfalten. Ein schönes Beispiel für Gewinn-Frames in der Nachhaltigkeit ist die Kampagne “Gutes Leben einfach” aus dem Projekt overdeveloped.eu.
- Soziale Normen: Wir sind soziale Wesen. Was andere Gruppenmitglieder von uns denken, ist uns in der Regel nicht vollkommen egal. Soziale Normen, also unsere Überzeugungen davon, was uns wichtige Andere denken, haben daher starkes Interesse geweckt in der Nachhaltigkeitskommunikation. Die meisten von uns kennen Sie etwa aus Hotelzimmern, wo wir z.B. darauf hingewiesen werden, dass 3 von 4 Gästen ihre Handtücher mindestens einmal wiederverwenden. Es gibt inzwischen belastbare Hinweise darauf, dass wir soziale Normen nutzen können, um nachhaltigeres Verhalten zu fördern. Wir haben unter der Führung der Kollegen David Loschelder und Henrik Siepelmeyer in einem Fachartikel am Beispiel von Einweg-Kaffeebechern gezeigt, dass sich durch soziale Normen der Konsum von Einwegbechern deutlich reduzieren lässt.

- Heuristiken und Verhaltenstendenzen: Führende Wissenschaftler wie Daniel Kahneman oder Robert Cialdini haben aufgezeigt, wie stark wir uns durch unbewusste Verhaltenstendenzen in unseren Entscheidungen beeinflussen lassen. Cialdini etwa führt sieben Prinzipien auf, über die sich Menschen beeinflussen und überzeugen lassen, z.B. indem wir mit glaubwürdigen Autoritäten argumentieren, ein Angebot künstlich verknappen, um es attraktiver zu machen, oder indem wir auf Wechselseitigkeit setzen (z.B. indem die Bedienung in Restaurants ein Bonbon anbietet, bevor wir als Gäste an der Reihe sind, das Trinkgeld festzulegen). Besonderes Potenzial hat überraschende Kommunikation, die neugierig machen kann, Spaß bereitet und Emotionen weckt. Ich verweise immer wieder gerne auf die künstlerischen Visualisierungen, mit denen Chris O’Jordan die Größenordnung von Umweltproblemen wie Meeresplastik veranschaulicht, oder die musikalische Aufarbeitung des Temperaturanstiegs durch Daniel Crawford. Wir können uns diese Prinzipien auch in der Nachhaltigkeitskommunikation zunutze machen, um Zielgruppen zu erreichen, die wir mit der klassischen themenorientierten Kommunikation nicht erreichen.
Fazit: Kommunikation von, über, und für Nachhaltigkeit ist alles andere als trivial. Die gute Nachricht jedoch ist: wir haben aber eine Reihe von Tools und Theorien zur Verfügung, um unsere Arbeit in diesem Bereich zu professionalisieren, präziser auf Zielgruppen abzustimmen und damit wirkungsvoller zu machen.
Es war spannend zu hören, welche konkreten Schritte und Ideen die Teilnehmenden aus ihrer Arbeit berichteten: etwa die Umgestaltung eines schulischen Treppenhauses, um beim täglichen Gang in die Klassen (so dies hoffentlich bald wieder täglich passieren wird) über die 17 Nachhaltigkeitsentwicklungsziele (SDGs) zu kommunizieren.
Mehr über die Arbeit der UNESCO-Projektschulen finden Sie hier.
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